Istanbul

Aachen

Geschichten aus Istanbul

Die erste Geschichte

Die erste Geschichte

Nun will ich dir die erste Geschichte erzählen.

Sie handelt von den Umständen meines dritten Geburtstags. Croy, mein Vater und Elke meine Mutter machten zu dieser Zeit Urlaub in Griechenland und ich erlebte bei diesem Urlaub einige Dinge, die schon für sich amüsant waren. Erzählenswert ist z.B. die Begebenheit auf der Akropolis von Athen. Ich lief etwas abseits von meinen Eltern umher und zur selben Zeit, als wir in Athen waren, ankerte auch das Segelschulschiff der Bundesmarine, die Gorch Fock, in Athen. Gerade in dem Moment, als ich auf der Akropolis herumstromerte, waren auch einige Matrosen der Gorch Fock dort und ich bin ihnen begegnet. Mit panikgeweiteten Augen bin ich zu meinen Eltern gelaufen und habe voll Schrecken berichtet: "Papa, Mama, die da sprechen deutsch". Zu dieser Zeit war mir das vollkommen unverständlich, denn Deutsch wurde nur in meiner Familie und bei unseren Bekannten gesprochen. Ich ging wie selbstverständlich davon aus, daß alle anderen eine andere Sprache sprachen.

Nun aber zu meinem dritten Geburtstag. Ich weiß noch, daß ich zwei Geschenke erhielt. Zum einen einen Plastikfußball, der in der üblichen schwarz-weiß Musterung gehalten war und eine rosa-rote Eisenbahnlokomotive, ebenfalls aus Plastik. Wir übernachteten in einem kleinen Hotelzimmer, das ich ebenfalls noch nahezu in allen Einzelheiten vor Augen habe. Wir ließen die Lokomotive im Hotel und nahmen nur den Fußball mit in die antiken Stätten von Olympia. Dort fand dann die eigentliche "Geburtstagsfeier" statt. Von den drei Kerzen, die auf einer abgebrochenen Säule standen und die ich dann ausblasen sollte, gibt es sogar noch irgendwo ein Photo. Ebenso gibt es auch noch ein Photo von mir, wie ich im Olympiastadion mit meinem neuen Fußball spielte. Meine Erinnerungen an diese Begebenheiten sind allerdings nur noch sehr ungenau und vermutlich von den Bildern, die ich später davon zu sehen bekam überdeckt. Ich erinnere mich allerdings in diesem Zusammenhang noch sehr genau an den nächsten Tag. Wir räumten das Hotelzimmer und fuhren weiter. Nach einer geraumen Zeit bemerkte ich dann, daß wir die Lokomotive vergessen hatten. Selbst in meiner Erinnerung von dieser Lokomotive, die noch sehr detailiert ist, weiß ich natürlich, daß diese Lokomotive aus billigstem Plastik bestand, aber damals war ich unglaublich traurig, daß sie nicht mal für einen Tag in meinem Besitz gewesen war und daß wir sie vergessen hatten. Natürlich fuhren wir nicht zurück, um diese blöde Lokomotive noch zu holen, dazu waren wir schon zu weit von Olympia entfernt. Aber diese Traurigkeit um den Verlust dieser Lokomotive ist mir geblieben. Vielleicht ist sie eine Erklärung für meine spätere Affinität zur Eisenbahn, von der ich sicherlich noch die eine oder andere Geschichte erzählen werde.

Geschichten aus Aachen

Die Fahrten zur belgischen Küste

Die Fahrten zur belgischen Küste

Es war der erste warme Tag im Frühjahr. Ich weiß es noch wie heute. Wir saßen mit mehreren Leuten im Haus der Grotenburg-Lusatia in der Küche und frühstückten. Alleine schon wegen des Wetters war die Stimmung ausgezeichnet. Nach und nach verließen die Mitglieder des Frühstücks den Raum, um zu lernen oder zur Uni zu fahren. Schließlich saßen nur noch Carsten und ich in der Küche. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir darauf kamen, aber irgendwann meinte Carsten, daß der Tag viel zu schön sei, um ihn der Uni zu schenken. Er drückte sich wörtlich so aus, und nach einigem Hin und Her beschlossen wir zunächst nach Holland an die See zu fahren. Ein kurzer Blick in den Atlas zeigte uns allerdings, daß es viel einfacher war an die belgische Küste zu fahren, da von Aachen nach Oostende eine Autobahn führte. Also änderten wir unsere Pläne und setzen uns in Carstens VW-Käfer und fuhren in Richtung Oostende los. Das Wetter blieb uns treu und wir fuhren wohlgelaunt über die belgische Autobahn.

Irgendwann hinter Brüssel fragte mich Carsten, ob es denn von Oostende weit bis nach Frankreich sei. Ich wusste zunächst mit dieser Frage nichts anzufangen, aber er erklärte mir, daß er noch nie in Frankreich gewesen sei und gerne einen Abstecher machen wollte, wenn es denn nicht so weit sei.

Natürlich ist es nicht weit und so kam es, daß wir kurz vor Oostende die Autobahn in Richtung Dunkirchen wechselten. Minuten später waren wir dann in Frankreich und fuhren auf Dunkirchen zu. Wir verließen die Autobahn und fuhren per Landstraße auf Dunkirchen zu. Rechts und links neben der Straße standen riesige Werbeschilder, die auf die Fähren nach England hinwiesen, so nach dem Motto: "Ferry to Dover". Ich sah Carsten an und fragte ihn: "Warst du eigentlich schon mal in England?". Carsten wusste sofort was ich meinte und verneinte. Ohne weitere Absprache fuhren wir in Dunkirchen in den Hafen und erkundigten uns nach einer Fährverbindung nach Dover. Leider ergab es sich, daß wir keine Möglichkeit fanden 'mal eben' nach England zu kommen und so setzen wir uns wieder in den Käfer und fuhren nach Calais weiter, weil da die Möglichkeiten besser zu sein schienen. Tatsächlich wurde in Calais ein Tagesticket angeboten, das nicht mal zwanzig Mark pro Person ausmachte. Das nächste Schiff sollte in wenigen Minuten abfahren und so stellten wir den Wagen ab und erreichten mit hängender Zunge die Fähre.

Wir kamen mittags in Dover an und verbrachten den Tag in der Stadt, wobei wir allerdings nur zu Fuß gehen konnten und daher nicht viel gesehen haben. Allerdings waren wir beide zum ersten Mal in unserem Leben in England. Erst gegen Nachmittag setzen wir uns wieder auf die Fähre und fuhren zurück. Die Rückfahrt nach Aachen war ereignislos und wir erreichten Aachen mitten in der Nacht. Nur jeweils einen Kiesel, den wir von der englischen Küste mitgebracht hatten konnte unseren Ausflug gegenüber den anderen dokumentieren.

Circa ein Jahr später saßen wir wieder in der gleichen Situation in der Küche der Grotenburg-Lusatia. Wieder war es der erste warme Tag und wieder saßen Carsten und ich zusammen. Uns beide übermannte wohl die Erinnerung und wir beschlossen wieder einmal einen Ausflug nach England zu machen. Diesmal sollte es allerdings mein Motorrad sein, das uns nach England bringen sollte.

Das Wetter war einigermaßen, so um die 15 Grad und der Himmel war blau. Wir setzen uns auf mein Mopped und los ging es. Diesmal war es allerdings nicht so erbaulich. Schon in Lüttich war der Himmel grau in grau bedeckt und es wurde auch etwas kälter. In Brüssel war es dann nur noch so um die zwei Grad und es fing leicht an zu nieseln. Ich hatte zwar für mich eine Regenkombi mit, aber für Carsten hatte ich nur einen leichten Regenponcho mit dabei und der hielt das Wasser nicht vollständig ab, da er schon ziemlich alt und verschlissen war.

An jeder Autobahnraststätte hielten wir und lernten die Vorzüge eines Heißluft-Handtrockners kennen. Die Geräte sind meist so installiert, daß man es erreichen kann, daß sie einem in den Hosenbund blasen, wenn man diesen etwas nach vorne zieht. So gelang es uns nicht nur unsere Hände zu wärmen, sondern auch die Beine wieder auf Normaltemperatur zu bringen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Sprch geboren: "Ich geh jetzt auf das brüllend heiße Klo und hol mir mächtig einen runter." Die Stimmung war also immer noch gut, auch wenn das Wetter immer schlechter wurde.

Auf der Höhe von Brügge war es dann allerdings mit unserer Geduld und unserer Leidensfähigkeit vorbei. Wir fuhren in die Stadt und beschlossen dies den Endpunkt unserer Reise sein zu lassen. In einem Restaurant aßen wir zu Mittag, auch wenn es schon, bedingt durch die ganzen Wärmepausen ziemlich spät geworden war und wollten dann unsere Rückreise antreten. Ärgerlicherweise brannte dann noch eine Lampe an meinem Motorrad durch und wir mussten erst noch Ersatz beschaffen. Als wir uns dann endlich auf den Weg in Richtung Aachen machen konnten fing es schon langsam an zu dunkeln.

Bis hinter Lüttich ging noch alles seinen planmäßigen Gang, auch wenn wir durch die vielen Pausen, die wir machen mussten natürlich nicht sehr schnell voran gekommen waren. Immerhin war es nun schon Nacht und noch kälter geworden.

Zwischen Lüttich und Aachen gibt es nur eine Autobahnraststätte. Obwohl wir nur noch circa dreißig Kilometer von Aachen entfernt waren, waren wir so durchgefrohren, daß wir beschlossen noch einmal zu halten. Als erstes bemerkten wir, daß die belgischen Raststätten wohl um zehn Uhr zu machten und wir keine Chance mehr auf einen warmen Kaffee hatten. Zu unserem Glück stand wenigstens noch ein Automat bereit an dem wir uns allerdings nur eine warme Hühnerbrühe ziehen konnten, aber immerhin besser als nichts. Die komplette Enttäuschung erwartete uns dann allerdings auf der Toilette: Keine Handtrockner und keine funktionierende Heizung. Es war bitter kalt auf der Toilette und weder auf der Herren- noch auf der Damentoilette ließ sich die Heizung andrehen. Aber dann hatten wir doch noch Glück. Im Wickelraum. Dieser war zwar äußerst kein; es stand nur der Wickeltisch darin, aber die Heizung war mit einem Drehknopf versehen und ließ sich hoch drehen. Nach wenigen Minuten wurde der Heizkörper warm und wir begannen uns unsere Sachen auszuziehen und auf die Heizung zu legen, damit diese getrocknet und warm würden. Da wir die Heizung voll hoch gefahren hatten, wurde es in dem kleinen Raum ziemlich schnell sehr warm und wir zogen ein Kleidungsstück nach dem anderen aus, bis wir schließlich rauchend, in Unterhose auf dem Wickeltisch saßen und all unsere Klamotten sich auf der Heizung befanden.

Es musste kommen wie es kommen musste. Wir saßen gerade gemütlich auf dem Tisch, als die Tür aufging und eine junge Mutter mit ihrem Kind den Kopf in den Raum steckte. Kommentarlos und ohne ein Wort zog sie den Kopf zurück, als sie uns gesehen hatte und verschwand wieder. Ich kann es ihr nicht verübeln, denn wir dürften wirklich einen ziemlich seltsamen Eindruck gemacht haben. Ich zog mir zwar noch schnell was über und versuchte hinter ihr her zu laufen, aber bis ich endlich in meinen Klamotten war, war sie natürlich schon weg.