Eine alte Geschichte

Einleitung

Pinkwarts Rede

Einleitung

Die Bundestagswahl war vorbei. Wochen um Wochen waren von der bevorstehenden Wahl beeinflusst gewesen. Auf allen Straßen hatten die Wahlplakate gestanden, in allen Radio- und Fernsehsendungen war nichts anderes mehr zu hören gewesen, als wie die aktuellen Prognosen aussähen und wer wohl nach der Wahl mit wem koalieren könne. Das Ergebnis war an Personen festgemacht worden, es war an Parteien festgemacht worden, es war an Stimmungen und Situationen im Land festgemacht worden. über Wochen hatte es so ausgesehen, als wenn es kein anderes Thema mehr im Land geben würde, doch das war nun vorbei.

Im Wahlkampf hatte eine seltsame Stimmung geherrscht. Immer wieder hatten Politiker Forderungen für die Zeit nach der Wahl formuliert, von denen sie wissen konnten, dass diese nach der Wahl niemals umsetzbar sein würden. Es schien als hätten alle Beteiligten die Wirtschaftskrise ausgeblendet, hätten vergessen, dass die Regierung schier unglaubliche Summen in die Hand genommen hatte, um deren Auswirkungen abmildern zu können, die allerdings auf irgendeine Art auch wieder zurück gezahlt werden mussten, so dass eigentlich jeder wissen musste, dass es für großartige Versprechungen gar keinen Spielraum gab. Aber all das war ausgeblendet worden, aber auch das war nun vorbei.

In den ersten Tagen nach der Wahl hatten noch das Wahlergebnis die Hauptrolle in den Nachrichten gespielt, aber das hatte schnell nachgelassen. Dann war noch eine Weile von dem Fortgang der Koalitionsverhandlungen gesprochen worden, aber nachdem sich die neue Regierung zusammen gefunden hatte, war auch das schnell weniger geworden und die Normalität hatte Einzug in die Welt gehalten, aber was war das für eine Normalität. Schnell wurde klar, dass das Leben sich ändern würde. Die Maßnahmen zur Kurzarbeit, die vor der Wahl noch gegriffen hatten, liefen aus und die Firmen, die immer noch keine Aufträge hatten, konnten nichts anderes tun als die Menschen zu entlassen. Die Arbeitslosenzahl stieg und stieg. Und mit der Zahl der Arbeitslosen stiegen auch die Ausgaben. Immer mehr Menschen mussten vom Staat finanziert werden und das Geld fehlte dann an anderer Stelle. Jeder, der noch Arbeit hatte, spürte das immer deutlicher.

Das war die Situation, als ich abends mit ein paar Freunden in einer Kneipe saß und wir uns unterhielten. Wir hatten schon einige Biere getrunken und die Stimmung war laut und ausgelassen. Keiner wollte dem anderen das Wort gönnen. "...Arbeitslosigkeit verringern..., ...Steuern senken..., ...Managergehälter..., ...denk doch mal rational...", die Stimmen überschlugen sich, die Meinungen wurden nur noch gegeneinander gehalten, jeder glaubte das Recht auf seiner Seite. Es schien fast so, als würde es einer dieser Abende, bei dem später auf dem Heimweg jeder das Gefühl haben würde immer noch im Recht zu sein, es aber nicht geschafft zu haben auch die anderen davon zu überzeugen.

"Was soll denn heißen: Denk doch mal rational?", erklang auf einmal eine Stimme vom Nachbartisch. Sie war nicht einmal besonders laut gewesen, aber dennoch waren wir alle verstummt und sahen zu dem Tisch hin. Dort saß alleine ein Mann vor seinem Bier und einer Zeitschrift, die er in der Mitte aufgeschlagen vor sich liegen hatte. Er blickte uns an und es schien fast so, als würde er leicht spöttisch lächeln. "Ihr habt doch sicherlich von der Begebenheit gehört, die sich vor ein paar Wochen in Helgoland abgespielt hat", fragte er uns. Wir hatten natürlich alle davon gehört. Einige Größen aus Politik, Sport, Wirtschaft und Kultur hatten wegen schlechten Wetters auf der Insel fest gesessen. In den Nachrichten hatte diese Meldung kurzfristig die Mitteilungen zum Wahlkampf abgelöst, war dann aber schnell wieder vergessen, nachdem sich das Wetter gebessert hatte und der Schiffs- und Flugverkehr zu der Insel wieder aufgenommen worden war.

Was hatte denn die Begebenheit auf Helgoland mit unserem Gespräch zu tun? Wir waren ein bisschen verwundert und auch ein bisschen verärgert, dass dieser Fremde sich so einfach in unser Gespräch einmischte, aber wir waren auch ein bisschen neugierig und fragten ihn, was er denn mit seiner Frage meine.

Er stellte sich erst mal vor, es war der bekannte Journalist Graeter, der durch einen Zufall in unsere Kneipe gekommen war. Er erklärte uns, dass auch er während des Unwetters in Helgoland gewesen war und dass er auch bei einem illustren Treffen einiger Prominenter anwesend gewesen war, bei dem das Gespräch auch auf die Frage nach der Rationalität gekommen war. Zuerst erzählte er uns, wie das Treffen zustande gekommen war und dann vor allem, wer dabei alles anwesend gewesen war.

Seinem Bericht nach war das Unwetter vollkommen überraschend über die Insel hereingebrochen, wie es bei Helgoland so oft vorkommt. Noch Stunden vorher war das Wetter zwar herbstlich kühl aber sonnig und heiter gewesen. Er hatte auf der Mole gestanden und ins Meer gesehen, als am Horizont die ersten dunklen Wolken auftauchten, die rasch näher zogen. Er hatte sich beeilt wieder zu seiner Wohnung zu kommen, aber schon auf halbem Weg trafen ihn die ersten Regentropfen und ein böiger, schneidend kalter Wind trieb ihn in die "Bunte Kuh", wo er hoffte das Unwetter abwarten zu können.

Das Unwetter schlug so hart und unbarmherzig zu, wie es schnell gekommen war und er war schon vollkommen durchnässt, bis er endlich die "Bunte Kuh" erreichte und die Tür hinter sich schließen konnte. Der Schankraum der "Kuh" ist nun wirklich nicht groß zu nennen, aber weil er erst damit beschäftigt war seinen nassen Mantel auszuziehen und das Wasser abzuschütteln, bemerkte er die Gruppe nicht die in der Ecke saß und anscheinend genau so in eine Diskussion vertieft war, wie wir es nun hier waren. Aber was war das für eine Gruppe? Graeter fasste sich an den Kopf, als er sah, wer dort zusammen gekommen war! Vor allem konnte er zunächst gar nicht fassen, dass es ausgerechnet ihm passiert sein sollte, dass er eine solche Versammlung von Prominenten nicht schon vorher bemerkt hatte. Den ersten, den er erkannte war niemand geringerer als der Vorstandsvorsitzende Ackermann, der einträchtig neben dem Landeswissenschaftsminister Pinkwart saß. Seine Neugier war nun geweckt und er schaute genauer hin und allmählich erkannte er auch alle anderen Gäste an dem Tisch. Es saß die Kanzlerin Merkel dort, der Schauspieler und Musiker Schneider und dann noch der bekannte Physiker Heisenberg.

Sein journalistischer Instinkt war geweckt und er belegte einen Platz an der Theke von dem aus er den Tisch dieser Runde gut im Blick halten konnte. Schnell bekam er mit, dass die Gruppe sich mehr oder weniger zufällig getroffen hatte. Merkel, Pinkwart und Ackermann waren zu einem Symposium nach Helgoland gekommen, während Schneider und Heisenberg hier waren, weil sie die Ruhe der Insel schätzten und Urlaub machen wollten. Schneider erzählte gerade, wie er bei einem Spaziergang über die Düne Kegelrobben beobachtet hatte.

Die ganze Szenerie wirkte geradezu überwältigend harmlos und alleine das immer schlimmer werdende Wetter, das von außen gegen die Fenster prasselte gab dem ganzen einen etwas unheimlichen und gespenstischen Anstrich. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt meldete sich Merkel zu Wort und teilte den Anwesenden mit, dass die Fähr- und Flugverbindungen von und zur Insel eingestellt worden seien, weil das Wetter einfach zu schlecht geworden war. Sofort erhob sich allgemeines Gemurmel und Graeter konnte deutlich den Unwillen heraushören, den der eine oder andere von sich gab. Die Aussicht auf der Insel gefangen zu sein, schien keinem zu behagen, vor allem die Politiker und Ackermann teilten jedem mit, dass noch dringende Termine auf sie warten würden und dass sie es sich eigentlich nicht erlauben könnten noch länger hier zu bleiben und dass sie eigentlich schon längst hätten weg sein wollen. Erst Schneider brachte wieder etwas Ruhe in die Runde, als er sich zu Wort meldete und davon sprach, dass man sich ja nun wohl in die Gegebenheiten fügen müsse. Er drehte sich zur Theke und bestellte lautstark eine Runde Eiergrog für alle.

Die Bedienung brachte den Eiergrog an den Tisch und schon wurde es ruhiger, als die Anwesenden die Strohhalme in den Mund nahmen und anfingen das Helgoländer Nationalgetränk zu schlürfen. Graeter merkte schnell, wie die Stimmung kippte. Er kannte das Getränk und wusste daher, wie er wirken konnte. Schon wenige Minuten nachdem der Grog serviert worden war, wurden die Gemüter ruhiger und die Gesichtsfarben frischer. Man schimpfte nicht mehr auf das Wetter, im Gegenteil! Nun wurde das Wetter auf einmal gelobt. Wann hätte man sonst schon mal Gelegenheit sich so ruhig und in so angenehmer Atmosphäre zu unterhalten. Schnell wurde die zweite Runde des Grogs bestellt.

Graeter konnte beobachten, wie aus der Runde angesehener Prominenter in zunehmendem Maße ganz normale Kneipenbesucher wurden, die in fortschreitendem Zustand der Alkoholisierung immer lockerer wurden. Schon wurden die ersten Witze gemacht, wobei nur Schneider sich zunächst zurück hielt. Die ganze Runde drohte aus dem Ruder zu laufen, als noch einmal die Tür aufging und noch ein weiterer Gast hinein kam.

Alle Gäste drehten sich zur Tür und wollten sehen, wer es war, der sich von dem Wetter nicht hatte abhalten lassen noch in die "Kuh" zu kommen. Die Gestalt blieb zunächst in der Nähe der Tür stehen und zog Mantel und Hut aus, wobei er dem Gastraum den Rücken zudrehte. Graeter meinte, dass ihm die Gestalt bekannt vor kam, aber erst als er die Holzschuhe sah, die der neue Gast an hatte, wurde ihm klar, dass es sich nur um den bekannten Philosophen Sokrates handeln konnte, von dem man wusste, dass er sich ab und zu auf Helgoland aufhielt, weil er die Ruhe und Abgeschiedenheit der Inseln in den Herbst- und Wintermonaten schätzte. Auch in der Tischrunde hatte man nun den neuen Gast erkannt und bat ihn lautstark zu der Runde dazu.

Sokrates zierte sich zunächst ein bisschen, nahm aber dann die Einladung gerne an und setzte sich auf den letzten verbliebenen Stuhl direkt neben Schneider. Kaum hatte er sich gesetzt, als ihm Ackermann auch schon anbot einen Eiergrog auszugeben. "Eiergrog" rief Sokrates daraufhin und schien das Angebot amüsant zu finden. "Eiergrog ist etwas für Touristen und Anfänger", sagte er lauthals und bestellte beim Wirt für den Tisch eine Runde Friesengeist. Der Vorschlag wurde begeistert aufgenommen und als der Wirt mit dem Tablett kam, schallte ihm ein großes Hallo entgegen. Der Friesengeist ging den Weg allen Friesengeistes und nun trumpfte Schneider auf, der meinte, dass auch Friesengeist noch nicht das Wahre wäre und dass man doch gerade hier auf der Insel eher von dem hervorragenden Sanddornschnaps trinken müsse, worauf er sofort eine Runde davon bestellte.

Noch bevor die Runde zum Tisch gebracht wurde meldete sich Ackermanns Blackberry und schon bald darauf verkündete dieser, dass man wohl die ganze Nacht in der "Kuh" zubringen könne, denn das Wetter würde sich erst am Abend des nächsten Tages beruhigen. Mit Gelächter wurde daher der Wirt empfangen, als er die Gläser mit der klaren Flüssigkeit an den Tisch brachte.

So seltsam es auch schien, aber die Nachricht, dass man wohl noch länger auf der Insel verweilen müsse, beruhigte die Gemüter wieder ein bisschen und die Gespräche wurden wieder etwas ernsthafter. Ackermann wandte sich an Sokrates und fragte ihn, ob er denn nicht auch der Meinung sei, dass man gerade in der aktuellen Krise in besonderem Maße darauf achten müsse seine Entscheidungen auf rein rationale Grundlage zu stellen, um sicher sein zu können, dass man die durch die Krise entstandenen Probleme auch lösen könne. Bevor Sokrates auch nur die Gelegenheit hatte darauf zu antworten, sei ihm Pinkwart ins Wort gefallen und habe Ackermann vehement zugestimmt: Einen Ausweg aus der aktuellen Krise könne man nur durch rationale Überlegungen finden.

Schnell verließ die Gesprächsrunde das Thema der Wirtschaftskrise und beschäftigte sich allgemein mit der Frage, wie man denn ein Problem am ehesten angehen und lösen könne. Merkel, deren christlicher Hintergrund natürlich allen bekannt war, verwies auf stabile Werte, die man haben müsse, Schneider forderte, dass auch künstlerische Aspekte immer eine Rolle spielten, da man nur durch künstlerische Kreativität auf neue Ansätze und Lösungen kommen könne. Die Argumente gingen hin und her und fast schon schien es, als wenn man an dem Abend nicht zu einem einheitlichen Ergebnis kommen würde, da trat der Wirt der "Kuh" an den Tisch und brachte jedem der Anwesenden noch einen Friesengeist. Er entschuldigte sich, dass er einzelne Gesprächsfetzen mitbekommen habe und fragte nach, was es denn mit der Rationalität auf sich habe, dass sie immer in solchen Situationen bemüht werde.

Sofort versuchten einige der Runde die Frage zu beantworten, aber schnell wurde klar, dass auf diese Art und Weise kein Konsens zu erreichen sein würde. Ein Wort gab das andere und nachdem man den Wirt noch einmal um eine Runde des Sanddornschnapses gebeten hatte, kam man überein, dass es am einfachsten sei, wenn jeder der Anwesenden seine Meinung zur Rationalität abgeben solle. Jeder sollte die Gelegenheit erhalten seine Sicht in einer Rede darzustellen und zum Ende hin wollte man entscheiden, wessen Rede denn am ehesten geeignet gewesen sei, dem Begriff der Rationalität nahe zu kommen. Alle waren der Meinung, dass Sokrates mit seiner Rede anfangen sollte, aber der flirtete gerade mit einer Kellnerin der "Kuh" und winkte nur ab. Der Rest der Runde unterhielt sich darauf hin darüber, wer denn anfangen solle und nach einigem hin und her kam man überein, dass Andreas Pinkwart anfangen solle, da er als Wissenschaftsminister seines Landes am ehesten in der Lage wäre den Gegenstand angemessen darzustellen.

Pinkwarts Rede

Pinkwart war Wissenschaftsminister und damit Politiker. Es war klar, dass er die Aufforderung seine Meinung kund zu tun, nicht vergehen lassen würde. Sofort begann er über die Rationalität zu reden:

„Die Rationalität ist das Größte, was der Menschheit jemals passieren konnte. Sie ist größer und wichtiger als alle anderen Gaben, die uns die Natur mit gegeben hat, sie ist größer und schöner als alle anderen Eigenschaften, welche die Menschen auszeichnen. Ja mehr noch! Die Rationalität ist das Wichtigste, was uns von allen anderen Wesen auf diesem Planeten unterscheidet.

Was war es denn, was den Menschen überhaupt erst zum Menschen machte?“, fragte er rhetorisch. „Nichts, aber auch gar nichts anderes als ein Tier wäre der Mensch ohne seine Rationalität. Die Fähigkeit eine Situation analysieren zu können, sich verschiedene Alternativen vorstellen und aus ihnen auswählen zu können sei geradezu die Grundfähigkeit der Menschen und mach ihn erst zu dem, was er eben sei. Ein Tier ist nicht in der Lage zwischen verschiedenen Alternativen zu wählen. Es wird von seinen Trieben und Anlagen vollständig gesteuert und auch wenn es vielleicht so aussieht, als 'entscheide' sich das Tier, so ist es doch letztlich nur von seinen Anlagen und Instinkten abhängig.

Was macht denn einen Menschen zu einem Menschen? Betrachtet man einmal die Vergangenheit, dann erkennt man schnell, was wir der Rationalität zu verdanken haben. Zunächst waren die Vorfahren der Menschen nichts anderes als alle anderen Tiere, die zu dieser Zeit lebten auch. Doch dann kam der erste große Entwicklungsschritt der Menschheit: Das Feuer! Der Mensch lernte das Feuer zu beherrschen, er konnte seine Höhlen, in denen er hauste, heizen. Er war in der Lage seine Nahrung zuzubereiten und nicht mehr einfach nur roh in sich hinein zu schlingen. Man könnte nun leicht zu der Annahme kommen, dass diese Entwicklung 'natürlich' gewesen sei und dass mit der Beherrschung des Feuers der weitere Aufstieg der Menschheit seinen Lauf nehmen konnte, aber wenn man genauer hinsieht, dann erkennt man die wahren Gründe.

Bevor der Mensch lernte das Feuer zu beherrschen, gab es auch schon Feuer. Immer wieder geschah es, dass Gewitter und ihre Blitze Holz entzündeten und zum Brennen brachte. Wie muss das auf unsere Vorfahren gewirkt haben? Werden sie sich gefreut haben? Werden sie sich gefürchtet haben? Betrachtet man das Verhalten, dass alle anderen Lebewesen auf unserer Welt dem Feuer entgegen bringen, dann ist die Antwort einfach und klar: Sie werden sich gefürchtet haben. Feuer war gefährlich, Feuer war unangenehm, Feuer hinterließ breite Schneisen der Verwüstung in denen nichts mehr wuchs und kein Wild mehr lebte, das man jagen und essen konnte. Es dauerte Jahre, bis eine solche Schneise wieder geschlossen war und sicherlich wird das eine oder andere Feuer dafür gesorgt haben, dass sich Gruppen unserer Vorfahren von ihrer angestammten Gegend entfernen und in der Fremde eine neue Heimstatt finden mussten.

Aber nicht alleine, dass das Feuer gefährlich und zerstörend war. Aus unserer heutigen Sicht wissen wir, dass die Unterhaltung von Feuer auch mühselig, anstrengend und gefährlich ist. Man musste sich ständig darum kümmern. Feuerholz musste gesammelt werden, es musste sich ständig jemand um das Feuer kümmern. Der Rauch des Holzes reizt die Schleimhäute und beeinträchtigt die Gesundheit – zumindest reizt er zum Husten, was nun auch nicht gerade angenehm zu nennen ist. Man braucht sich bloß einmal die Buschleute im südlichen Afrika ansehen und ihren Umgang mit dem Feuer, dann weiß man, was das Feuer für die frühsten unserer Vorfahren bedeutet hat. Die Buschleute leben bis heute in Hütten, die keinen Rauchabzug haben; nahezu alle haben Bindehautentzündung und permanenten Husten. Außerdem fehlt die Arbeitskraft derer, die mit der Versorgung des Feuers beschäftigt sind den anderen beim Jagen und Beschaffen von Nahrung.

Wenn man die Sache also nur auf den ersten Blick betrachtet, scheint das Feuer mehr Nachteile als Vorteile zu haben, was sich ja auch daran zeigt, dass die meisten Tiere das Feuer meiden. Was war beim Menschen nun anders als bei allen anderen Lebewesen, dass er sich das Feuer untertan machte und lernte es zu beherrschen? Es kann nur einen Grund gegeben haben: Der Verstand, die Fähigkeit des Menschen Alternativen abzuwägen und sich dann für die zu entscheiden, welche letztlich den Vorzug hatte. Der Mensch muss schon damals in der Lage gewesen sein Vor- und Nachteile des Feuers rational abzuwägen. Er muss erkannt haben, dass es neben den unmittelbaren Nachteilen, die das Feuer sicherlich mit sich brachte, auch mittelbare, aber deswegen nicht weniger schwer wiegende, Vorteile gegeben haben muss, dass er sich dafür entschied das Feuer für sich zu nutzen. Er muss erkannt haben, dass die Menschen, die mit dem Feuer lebten eine größere Überlebenschance hatten als die, welche darauf verzichteten.